Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten by Horvath Martin

Mohr im Hemd oder wie ich auszog die Welt zu retten by Horvath Martin

Autor:Horvath, Martin [Horvath, Martin]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-09-10T16:00:00+00:00


13

Manu ist auch am nächsten Tag nicht da. Seit vier Tagen hat ihn niemand gesehen, weder Nachbarn noch Betreuer, bei denen sich jeder Bewohner täglich melden sollte. Ich weiß nicht, wo ist er, sagt John, der mit ihm die Wohnung teilt, zur Schönen Helena. Sie steht mit zwei Betreuern im vorderen der beiden Räume, ich habe mich so auf dem Gang postiert, dass ich alles mitverfolgen kann, ohne gesehen zu werden. Der vordere Raum ist ein Durchgangszimmer, in dem sich Johns Bett, die Kochnische und ein Waschbecken befinden. Daneben liegt ein kleinerer Raum, der von Manu bewohnt wird. Die Tür zu diesem Raum ist versperrt. Manu sonst nicht macht Türe zu, sagt John. Versuch noch mal, ihn anzurufen, befiehlt die Generalin einem der beiden Betreuer. Der Befehl wird ausgeführt, und nach ein paar Sekunden hört man eine arabisch anmutende Melodie aus Manus Zimmer. Läutet ganze Tag, sagt John genervt, und auch Nacht. Scheiße, entfährt es der Generalin, Sir, yes, Sir, lautet die korrekte Antwort der beiden Offiziere, und als der Befehl zum Aufbrechen erteilt wird, stürzen sie sich mit Schraubenziehern bewaffnet der Tür entgegen. Wäre das Ganze zwei Wochen früher geschehen, so hätte man vom Baugerüst aus zumindest einen Blick in das Zimmer werfen können, doch das Gerüst wurde vor wenigen Tagen abgebaut. Das Schloss muss also dran glauben, und als es geknackt und geknickt ist und die Schöne Helena, John und die beiden Betreuer in Manus Zimmer treten, schleiche ich mich leise in den vorderen Raum. Ich weiß, die vier denken an einen ehemaligen Bewohner aus Äthiopien, der sich im vergangenen Jahr in seinem Zimmer erhängt hat, weil er das Warten nicht länger ertragen konnte.

Hilf mir mal, höre ich einen der beiden Betreuer zum anderen sagen. Ich schleiche mich näher an die Tür heran, sehe das leere, ungemachte Bett und das Fenster, doch die beiden Betreuer scheinen hinter der Tür zu Gange zu sein. Ich trete noch näher, doch da bin ich schon im Augenwinkel der Schönen Helena angelangt. Was machst du hier, bellt sie mich an. Je cherche Manu, mon Général, melde ich gehorsamst, und bevor sie mich fortschicken kann, bin ich schon in Manus Zimmer getreten. Die beiden Betreuer kommen gerade aus dem toten Gewinkel hinter der Tür hervor. Manu ist verschwunden, stellt einer der beiden mit kriminalistischem Scharfsinn fest und wischt sich die staubig gewordenen Hände an den Hosenbeinen ab, und bevor mir Frau Schlagnitweit-Manastiris in ihrer bekannt charmanten Art ebenfalls das Verschwinden nahelegt, entferne ich mich.

Wieder einmal sitze ich auf meinem Lieblingsplatz in der Astgabel des Affenbrotbaumes hinter dem Haus. Es ist Nachmittag, es ist still im Dorf, und trotzdem höre ich die Soldaten nicht kommen. Erst, als meine Mutter und meine Schwestern aufschreien, weiß ich, dass sie da sind. Eines Tages mussten sie ja auch zu uns kommen, ich wusste es, es war unvermeidlich. Ich springe vom Baum und laufe zum Eingang. Der groß gewachsene Soldat steht davor, das Gewehr in beiden Händen. Drinnen höre ich meine Mutter und meine Schwestern schreien, ich höre das Lachen der Soldaten.



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